Jeder Mensch kann tanzen

Tanzen für die Inklusion

Die Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Laufenmühle e.V., eine Einrichtung für rund 95 Menschen mit geistiger Behinderung, führte im Sommer 2013 ein inklusives Tanzprojekt zur „Carmina Burana“ von Carl Orff durch. In einem dreiwöchigen Workshop erarbeiteten 150 behinderte und nicht-behinderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen mit international renommierten Choreografen eine Performance, die  Anfang Juli 2013 in drei Open-Air-Veranstaltungen vor insgesamt 4.000 Zuschauern aufgeführt wurde. Neben rund 70 behinderten Bewohnern der projekttragenden Einrichtung waren außerdem Schülerinnen und Schüler der örtlichen Janusz-Korczak-Förderschule und Albertville-Realschule Winnenden sowie 150 Orchester- und Chormusiker beteiligt. Das Projekt wurde von einem inklusiven Filmteam begleitet und feierte im November 2014 auf den 36. Biberacher Filmfestspielen Kinopremiere.  

Im Gegensatz zu anderen künstlerischen Ausdrucksformen, wie etwa dem Theater oder Gesang, bestehen beim Tanzen keine Barrieren für Menschen mit Behinderungen. Daher wurde der Tanz für das inklusive Projekt der Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Laufenmühle e.V. ausgewählt. Dreh- und Angelpunkt der Initiative ist die Inklusion, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention formuliert worden ist. Dabei soll behinderten Menschen die Teilhabe und Partizipation auch auf künstlerischen Gebieten ermöglicht werden.

Insgesamt 150 behinderte und nichtbehinderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer tanzten gemeinsam zur „Carmina Burana“. Ziel des Projekts war es, Berührungsängste zwischen den verschiedenen Teilnehmergruppen abzubauen und eine solidarische Gemeinschaft zu bilden, in der jeder seine individuellen Fähigkeiten einbringen konnte. Gleichzeitig sollte das Kulturereignis, das in seiner Größe für den ländlichen Raum 30 Kilometer östlich von Stuttgart einmalig war, einer breiten Öffentlichkeit die Chancen des Inklusionsimpulses nahebringen. Mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann als Schirmherrn und einem renommierten Choreografenteam um Wolfgang Stange (London) und Royston Maldoom („Rhythm is it!“) gelang es, dem Projekt die nötige überregionale Strahlkraft zu verleihen. Drei ausverkaufte Vorstellungen, zahlreiche begeisterte Rückmeldungen von Gästen und Teilnehmern sowie der berührende Kinofilm „Carmina – es lebe der Unterschied!“ zeugen von dem großen Erfolg des Projekts.   

PROJEKTDETAILS

Die Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft

Die Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft ist eine Komplexeinrichtung für 95 geistig behinderte Menschen. Sie beschäftigt über 115 hauptamtliche Mitarbeiter in den Bereichen Wohnen und Werkstätten sowie im Förder- und Betreuungsbereich. Mit der Etablierung des Erfahrungsfelds der Sinne EINS+ALLES, eines naturnahen Erlebnis- und Freizeitparks, gelingt der Einrichtung seit 2007 ein erfolgreiches Inklusionsmodell mit jährlich 80.000 Gästen. Dort können an zahlreichen Stationen und Installationen Sinneserfahrungen gemacht und soziale Kompetenzen gefördert werden. Die Betreuung der Gäste übernehmen mitunter 40 geistig behinderte Menschen der Einrichtung.

Der Erfolg dieser Inklusionsplattform gab zudem innovativen Projekten Auftrieb, die die Einrichtung seit Jahren initiiert. So wurde nach dem Winnender Amoklauf gemeinsam mit 900 Schülerinnen und Schülern der Albertville-Realschule und anderer Schulen sowie geistig behinderten Menschen eine monumentale Weidenkathedrale erbaut, die als lebendiges Denkmal an die schrecklichen Ereignisse von Winnenden erinnert und zugleich als lebendiges Bauwerk den Blick nach vorne wendet.

Die Einrichtung betreibt ferner zwei Kaffeeröstereien sowie das Tourismusbüro der Stadt Welzheim, womit ebenfalls ein großer Umkreis geschaffen worden ist. Mit Initiativen wie dem Tanzprojekt Carmina oder dem Erfahrungsfeld der Sinne gelingt es der Einrichtung, den eigentlichen Standortnachteil, fernab des städtischen Kulturlebens, in einen Vorteil zu verwandeln. Denn die attraktiven Angebote inmitten der wunderbaren Natur des Welzheimer Waldes hat die abgelegene Christopherus-Gemeinschaft zu einem pulsierenden Kultur- und Begegnungsort werden lassen.    

Wofür wurden die Gelder der MAHLE-STIFTUNG konkret eingesetzt?

Die Förderung der MAHLE-STIFTUNG, die im Vergleich zu anderen Förderern relativ spät beantragt wurde, half am Ende entscheidend, die verbliebene Finanzierungslücke zu schließen. Neben den Hauptförderungen von Aktion Mensch und der Baden-Württemberg Stiftung hat sie damit dazu beigetragen, die komplexe Logistik des Projekts insbesondere während der Probenphase reibungslos zu gewährleisten.  

Der Film „Carmina – es lebe der Unterschied!“

Das Tanzprojekt wurde von Filmemacher Sebastian Heinzel und seinem inklusiven Filmteam begleitet. Aus über 80 Stunden Filmmaterial ist ein 80-minütiger Dokumentarfilm entstanden, dessen Premiere auf den 36. Biberacher Filmfestspielen im November 2014 stattfand. Im Dezember 2014 erschien der Film auch als DVD.